Page 2 - Die Ausbeutung, ihre Ursachen und ihre Bekämpfung
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Aus einer Vorlesung von Silvio Gesell:
„Verschüttet unter einem Berg von Gesetzen und Verboten,
festgezogen in unsichtbar wirtschaftlichen Abhängigkeiten,
in einem Arbeitsleben, das in weiten Teilen der Welt das eines
Arbeitstiers ist, fast erstickend in einem Sumpf von billigem Tand
und Lastern, so lebt heute der Großteil der Menschen dieser Erde.“
Der Sozialismus zieht seine Triebkräfte in erster Linie aus dem Wunsch der
Ausgebeuteten, sich der ausbeutenden Mächte zu erwehren. Dieser Satz
gestattet die Verallgemeinerung, dass als Sozialist jeder zu betrachten ist,
der sich am Kampf gegen die Ausbeutung beteiligt. Umgekehrt kann man
niemanden als „Sozialist“ bezeichnen, der sich der Ausbeutung gegen-
über gleichgültig verhält.
Ich will nicht behaupten, dass sich der Sozialismus im Kampf gegen die
Ausbeutung erschöpft. Aber dieser Kampf ist doch, besonders im
heutigen Stadium des Sozialismus, das eigentliche Kennzeichen der
sozialistischen Geistesrichtung.
Auch bei den Kommunisten wüssten manche nicht mehr, warum sie sich
Kommunisten nennen, wenn es keine Ausbeutung mehr gäbe. Wenn sich
die Ausgebeuteten darüber einig wären, wie die Ausbeutung am
sichersten und schnellsten zu beseitigen ist, so hätte es niemals
Spaltungen in den sozialistischen Kreisen gegeben. Die Einheitsfront aller
Sozialisten wäre von vornherein da gewesen, fest und unerschütterlich.
Sie kommt nur darum nicht zustande, weil man sich noch kein klares Bild
von der Natur der Ausbeutung macht. Bei den meisten Sozialisten
handelt es sich nicht um Wissen, sondern um Glaubenssätze und wir
wissen aus der Geschichte, dass der Streit zumeist dort beginnt, wo das
Wissen in das Gebiet der Glaubensartikel übergeht. Glauben und Streiten
ist ein und dasselbe.
Die Ausbeutung des Menschen geht auf die verschiedenste Weise vor
sich. Man kann sie einteilen in
1. Ausbeutung auf dem Wege persönlicher Übermacht,
2. Ausbeutung mittels wirtschaftlicher Übermacht.
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