Page 19 - Gespräche mit Gott über Geld
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EXAKT.
Wie reich an Widersprüchen selbst prominente Antworten sind, ist
schon beachtlich. Ein Beispiel soll genügen: Eine der beliebtesten
Antworten auf die bekannt schlechte „Lage der Nation“ und der
offensichtlichen globalen Ungleichgewichte läuft darauf hinaus, dass
die Menschen eben zu gierig sind. Angeblich wollen sie einfach nicht
aufhören, Gewinne zu machen – und diese müssten nun mal
automatisch die Verluste von anderen sein. Nehmen wir an, die
menschliche Gier sei der Hauptgrund für die Schwierigkeiten, in denen
wir uns befinden. Wir stellen fest, dass sich der Reichtum in immer
weniger Händen konzentriert. Breite Bevölkerungsschichten müssen mit
immer weniger Mitteln auskommen. Steigt also die Gier von immer
weniger Menschen immer mehr an? Was passierte mit den ehemals
gierigen Menschen, die nun selbst auf die Verliererseite gewechselt
sind? Während die Gier von bestimmten Menschen zu steigen beginnt,
nimmt sie bei einer wachsenden Zahl von Menschen ab? Das wäre
dann ja eigentlich keine schlechte Entwicklung. Und wenn die Gier für
die wachsende Ungleichheit verantwortlich ist, bleibt die Frage offen,
warum diese Eigenschaft so ungleichmäßig über die Menschen verteilt
ist? Sind Europäer gieriger als Asiaten oder Afrikaner? Die Bejahung
dieser Frage, die nichts anderes bezweckt als die Widerspruchsfreiheit
der zentralen Aussage zu wahren, lässt jedoch weitere Fragen
unbeantwortet. Warum ist die Eigenschaft der Gier eine regional oder
rassisch bedingte Eigenschaft? Warum gibt es wiederum manche
Afrikaner, die gieriger sind als manche Europäer? Warum gelingt es
Millionen Spendern aus Europa nicht, das Los von Menschen in Afrika
oder Asien spürbar zu ändern? Wir würden uns in immer tiefere
Widersprüche verstricken, wenn wir dieses Stammtischerklärungs-
modell aufrecht erhalten wollen. Die makroökonomische Literatur ist
voller Beispiele, die keiner wirklich logischen Inventur standhalten. Das
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