Page 18 - Die Ausbeutung, ihre Ursachen und ihre Bekämpfung
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und niemals war sie durchbrochen worden. Jetzt ist durch das Freigeld
            zum ersten Male seit Hammurabi eine Bresche in diese Rentabilitäts-
            grenze geschlagen.
            Das Freigeld kennt keine untere Rentabilitätsgrenze. Es ist ja kein selbst-
            ständiges Kapital mehr. Wenn die Rentabilität der Kapitalanlagen sinkt,
            etwa infolge besonders angestrengter Arbeit, da kann das Geld nicht
            mehr sagen: Ihr Unternehmer und Arbeiter habt durch eure ungezügelte
            Arbeitswut das reale Kapital, die Produktionsmittel, die Wohnungen usw.
            derart vermehrt, dass ihr Zinsertrag unter die „normale“ Grenze, die
            Rentabilitätsgrenze, gesunken ist. Ich streike. Schluss mit dieser Baupest.
            Nein, solches kann das Freigeld nicht sagen. Es kann nicht streiken! Es
            steht ja unter Druck. Es trägt den Streikbrecher in sich. Damit es nicht
            streiken kann, darum wurde dieser Druck erfunden. Und der Druck erfüllt
            seinen Zweck.

            Das Freigeld mahnt unausgesetzt seine Besitzer daran, dass das Geld als
            Tauschmittel  geschaffen wurde. Es stellt seine Besitzer vor die Wahl,
            entweder sich mit einem geringeren Zins zu begnügen, oder aber mit
            einem Verlust an der Substanz des Geldes vorlieb zu nehmen. Wenn also
            etwa ein Unternehmer an den Hypothekenbankier herantritt mit den
            Worten: „Wir haben in den letzten Jahren sehr viel gebaut. Der Mietzins
            geht abwärts. Statt 5 % netto bringen die Wohnungen jetzt nur mehr
            4 %  ein.  Ich  habe   hier  einen  neuen   Plan   für  eine  Mietkaserne  und
            wünsche von Ihnen, dass Sie aus Rücksicht auf den erwähnten Rückgang
            der Mieten mir den Hypothekenzins entsprechend herabsetzen“ – dann
            wird der Freigeldbankier dem Unternehmer nicht mehr, wie es heute in
            solchen Fällen geschieht, die Tür des Geldschranks vor der Nase zuschla-
            gen und sagen: „Ich werde mit meinem Geld warten, bis der Zins der
            Wohnungen  wieder  auf  den  normalen  Stand,   bis  an  die  alte
            Rentabilitätsgrenze, gestiegen ist!“ Nein, er wird sich hüten, solches zu
            sagen.
            Ist er nicht zu sehr zugeknöpft, dann wird er etwa folgendes antworten:
            „Lieber   Herr,   die  Zeiten  sind   vorbei,  wo   wir  von  einer  ehernen
            Rentabilitätsgrenze  reden   konnten.  Was   soll  ich  mit   diesem  Geld
            anfangen, wenn Sie es mir nicht abnehmen? Ich stehe unter Druck, ich
            muss  jetzt   das   Geld  unter  allen  Umständen  und  zu  jedem  Zinsfuß



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