Page 2 - Die Wunderinsel Barataria
P. 2
Auf dem gleichen Breitengrad wie Utopia, aber genau 360 Grad ost-
westlich davon, liegt die Insel Barataria. So benannt, weil barato „billig“
heißt und weil auf Barataria alles erstaunlich billig war, und zwar nicht
in dem wucherischen Sinne, dass man für wenig Geld viel Ware bekam
– was ja für den, der seine Ware für wenig Geld hergeben muss, keinen
Vorteil hat – sondern billig im sozialpolitischen Sinne, dass alle Arbeiter,
ohne Ausnahme, für wenig Arbeit viel Ware eintauschen konnten. Eine
rätselhafte Sache, die wir aber erklären werden.
Die Insel wurde 1612 mit 500 spanischen Familien kolonisiert. Auf der
Heimreise gingen die Schiffe mit Mann und Maus unter und so kam es,
dass man in Madrid glaubte, dass mit den Schiffen auch die Kolonisten
umgekommen seien und man in der Folge die Insel ganz vergaß. So
waren die Baratonen lange Zeit gänzlich von der Welt abgeschnitten.
Uns interessieren hier die wirtschaftlichen Einrichtungen der Baratonen
und was hier folgt ist ein Auszug aus der Chronik, mit deren Führung
der Pfarrer der Hauptstadt Villapanza betraut worden war.
Anfänglich betrieben die Baratonen ihre Wirtschaft kommunistisch.
Jedoch nicht lange. Denn bereits 10 Jahre nach der Landung wurden
die Kolonisten durch den Lehrer Diego Martinez zusammengerufen, um
die Einführung der Privatwirtschaft zu besprechen. Der Aufruf lautete:
Der kommunistische Wirtschaftsbetrieb, dem wir bis heute treu blieben,
hat gewiss mehr geleistet, als die Mehrheit von uns von ihm erwartete,
doch leistet er nicht das, was wir von der vollen persönlichen Freiheit,
Unabhängigkeit und Selbstverantwortung erwarten dürfen. Wie das
Hemd uns näher liegt als der Rock, so ist es auch mit Egoismus und
Altruismus, mit dem Selbsterhaltungstrieb und dem Arterhaltungstrieb.
Wir alle tragen die Verantwortung für alles Tun und Lassen nicht
unmittelbar genug. Vergisst einer das Handwerkszeug im Feld, wird ein
krankes Pferd unsachgemäß oder nachlässig gepflegt, wird mit dem
Feuer unvorsichtig umgegangen, wird ein Haus schlecht fundamentiert,
schlecht geplant usw., so hat nicht der Schuldige den Schaden, sondern
die Allgemeinheit. So gehen täglich durch Nachlässigkeit viele Güter
verloren. Das Heu wird schlecht geborgen und gestern erfroren noch
- 2 -