Page 27 - Die Wunderinsel Barataria
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Von hier ab bestehen die Aufzeichnungen der Chronik nur noch aus
            einer einzigen Jeremiade. So lehrreich so manches daraus auch ist, so
            muss ich mich doch auf die Schlusssätze der Chronik beschränken:
            „Heute, am 28. April des Jahres 1670, erschienen von Osten kommend,
            Schiffe, Engländer. Ungeheurer Jubel. 10. Mai: Die Engländer sprechen
            sich sehr anerkennend über unsere wirtschaftlichen Zustände aus. Es
            wäre erstaunlich, wie sich hier alles fast genau so entwickelt habe wie
            bei  ihnen  zu  Hause.   Auch  in   den  sozialen  Zuständen  wäre   kein
            Unterschied wahrnehmbar. Die Klasseneinteilung, das Proletariat, die
            Grundeigentümer, die Rentner, die Hypothekenbanken, die Prostitution.
            Die Bettler wären hier fast so zahlreich wie in London. Die politischen
            Kämpfe   drehten  sich  um  dieselben  Dinge.  Streiks,  Kollisionen   der
            Arbeiter mit der Polizei, die hier an der Tagesordnung seien, wären
            auch  drüben  so   zahlreich.  Das   wäre  weiter  nicht  schlimm.  Man
            gewöhne sich daran. Nur eins fanden sie an unseren Einrichtungen zu
            tadeln, das sei das Geld.
            Es wäre doch eines auf so hoher Stufe stehenden Volkes unwürdig, als
            Geld   die   unnütze   Frucht  einer   gemeinen  Tanne,  von  der  es   in
            Madagaskar ganze Wälder gäbe, zu benutzen. Gold sollten wir haben.
            Herrlich wäre ein solcher in der Sonne funkelnder Dukaten. Kurz, wir
            sollten sobald wie möglich einen Vertreter des Königs Sanson nach
            London schicken, um dort eine Goldanleihe zu machen, die wir zu 5 %
            gut unterbringen könnten.“

            Und das ist alles, was uns die Europäer zu raten haben, um aus unseren
            trostlosen Verhältnissen herauszukommen, fügt der Chronist bei. Die
            Engländer sehen offenbar das Elend gar nicht, weil sie schon länger an
            den Anblick gewöhnt sind – ich aber habe die ganze Entwicklung
            durchgemacht.
            Den 31. Januar. Heute Morgen trat Diego Martinez plötzlich in mein
            Büro. Mit offenen Armen lief er mir entgegen. Ich hab's gefunden, rief
            er, ich hab's gefunden, das Rätsel, das Carlos Marquez nicht lösen
            konnte, die Frage, warum der Zins nicht aufkommen konnte, solange
            wir unser Geld nach Gewicht gelten ließen. Ich habe die Frage gelöst,



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