Page 13 - Die Wunderinsel Barataria
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Immer wieder spricht der Chronist seine Überraschung darüber aus,
dass auch bei rein geschäftsmäßigen Darlehen kein Zins erhoben
werden kann. Dass dies nicht aus religiösen oder ethischen Gründen
geschieht, erwähnt der Chronist ausdrücklich. Er sagt, dass auf dem
Darlehensmarkt das Angebot immer reichlich die Nachfrage deckt, was
ja dann allerdings die Erscheinung des zinslosen Darlehens erklärt. Die
Baratonen verkauften ihre Erzeugnisse nach kaufmännischen
Grundsätzen, d.h. sie nahmen immer so viel, wie sie erlangen konnten.
Hätten also die Baratonen nach Lage der Verhältnisse einen Zins bei
Darlehen erheben können, so hätten sie den Zins ganz gewiss nicht
verschmäht. Die Erscheinung, dass in Barataria das Angebot auf dem
Darlehensmarkt die Nachfrage deckte, sucht der Chronist wie folgt zu
erklären: Das Angebot bei Darlehen bestand aus Nüssen des pinus
moneta, die wie wir wissen, genau wie alle anderen Güter dem
ständigen Schwund unterworfen waren. Dieser Schwund übte auf das
Angebot dieser Nüsse einen ständigen Druck aus. Die Darlehensgeber,
also die Besitzer der Nüsse, konnten nicht, wie unsere heutigen
Kapitalisten, den Zins zur selbstverständlichen Bedingung des Darlehens
stellen; sie konnten den Geldschrank nicht demjenigen, der ein
Darlehen begehrte, vor der Nase zuschlagen und sagen: „Wenn Sie
keinen Zins bewilligen, so behalte ich mein Geld.“ Beim Gold und bei
den heutigen Banknoten ist das möglich, weil das Gold und seine
papiernen Vertreter unbegrenzt haltbar sind.
Darin unterschied sich eben das Geld der Baratonen von unserem
heutigen Geldwesen. Gaben die Baratonen das Geld zinsfrei her, so
vermieden sie den Verlust, der ihnen sonst aus der Aufbewahrung des
Geldes erwachsen wäre. Sie gaben 100 Pfund Nüsse, und nach Jahr
und Tag bekamen sie 100 Pfund zurück. Hätten sie die 100 Pfund im
Geldschrank verwahrt, weil sie auf zinsfreie Darlehen nicht eingehen
wollten, so hätten sie nach Ablauf der gleichen Zeit nur mehr 90-80-70
Pfund vorgefunden.
Was sollen die Sparer tun? fragt der Chronist. Sparen sie ihre eigenen
Produkte, so haben sie Verluste und Kosten für die Wartung, legen sie
ihre Ersparnisse in Produkten anderer Bürger an, so stehen sie nicht
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