Page 6 - Replik zur Kritik der Freiwirtschaft
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Replik zur „Kritik an der Freiwirtschaft nach Silvio Gesell“ durch Rahim Taghizadegan vom Wiener „Institut für Wertewirtschaft“




                                             Kapitel 1: Ideologie




               Im ersten Kapitel seiner Schrift, welches „Die Ideologie von Silvio Gesell“ betitelt ist, schreibt
               Rahim Taghizadegan: Gesells Lehre von der „Freiwirtschaft“ scheint wieder an Popularität zu
               gewinnen – tritt sie doch mit dem großen Versprechen an, einen konsistenten Gegenentwurf
               zu Kapitalismus und Sozialismus  zu bieten,  sogar  die „Vorteile“ beider „Systeme“  zu
               vereinen. Marktwirtschaft ja, aber „natürlich“, ist die Devise der Freiwirte. Gesell konstruiert
               eloquent und gewitzt eine Natürliche Wirtschaftsordnung, die fast alle Übel der Gegenwart
               zu überwinden scheint. Die hier vorliegende Analyse des Instituts für Wertewirtschaft möchte
               die Freiwirtschaftslehre, deren  Zinskritik und das vorgeschlagene  Schwundgeld kritisch
               überprüfen.
               Nehmen wir die  gute Absicht für  die  Tat.  Mögen Gewitztheit und Eloquenz –
               Redegewandtheit – dazu benutzt werden, um ökonomische Wahrheiten zu enthüllen, anstatt
               sie zu verdecken. Viele kennen ja  die Formulierung aus Arbeitnehmerzeugnissen  „Er  war
               stets bemüht…“ Damit wird im Allgemeinen ausgedrückt, dass der Beurteilte zwar den guten
               Willen, aber leider keine Ahnung von dem hatte, wofür er eingestellt und bezahlt wurde.

               Mit einer  ähnlichen Formulierung  steigt Taghizadegan in  die Kritik des Protagonisten der
               Freiwirtschaft – Silvio Gesell – ein. Er liefert auch gleich die Begründung dafür, warum es mit
               dem ökonomischen Sachverstand Gesells nicht so weit her sein kann, nämlich weil zu viel
               „Ideologie“ im Spiel ist:

               Gesell versucht zwar eine Ökonomie nach dem Hausverstand zu entwickeln, doch weist er
               natürlich eine deutliche ideologische Stoßrichtung auf.

               Warum Gesell „natürlich“ – also erwartungsgemäß – eine ideologische Stoßrichtung aufweist,
               bleibt allerdings unklar. Hat es der Autor schon gewusst, bevor er sich an die Arbeit machte?
               Die Analyse ist unter diesen Umständen wahrscheinlich reine Formsache. Bereits hier deutet
               sich an, dass das schnelle Urteil des Kritikers der Kritik vorangehen möchte, um die eigenen
               Schwächen in der Auswahl der Argumente nicht allzu offenbar werden zu lassen. Ganz nach
               dem Motto: „Das Urteil ist fertig, macht euch keine Sorgen um Belege oder Beweise!“ Wir
               jedoch wollen der Sache die nötige Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen.

               Ideengeschichtlich betrachtet  ist Gesells Zugang hochinteressant. Zunächst erscheint er
               primär als Liberaler. Er weist großen Fortschrittsglauben auf und führt stets die Freiheit im
               Munde.
               Ziehen wir  also die  erste Schublade auf, in der Gesell verschwinden soll: Liberalismus.
               Inflationäre Verwendung von Freiheit und unberechtigter Glaube an den Fortschritt. Fertig ist
               der erste Eindruck vom Liberalen. Und von Gesell. Taghizadegan widmet seine „Kritik“ dem
               Kreis der „eingeweihten Leser“, die sich mit der Geschichte der Ideen vermutlich auskennen.
               Jene also, die das „ideengeschichtliche Hochinteresse“ Taghizadegans an „Gesells Zugang“
               werden nachfühlen können. Wenn Gesell „zunächst und primär“ als Liberaler erscheint, so
               wird der Kritisierte wohl später das ideologische Kleidchen noch gegen ein anderes tauschen
               und den Liberalismus später als sekundär erscheinen lassen. Als was er zunächst „sekundär“
               erscheint bleibt „zunächst“ offen. Was bedeutet „zunächst“ in dem verwendeten Kontext?


               Jens Frank Kasten (jfk)                      - 6 -                        CTS Freiheitswerk, 2011
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