Page 8 - Replik zur Kritik der Freiwirtschaft
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Replik zur „Kritik an der Freiwirtschaft nach Silvio Gesell“ durch Rahim Taghizadegan vom Wiener „Institut für Wertewirtschaft“
Ob aus dem Lager der Liberalen jemals Vorbehalte gegenüber der Goldwährung oder
überhaupt zustimmende oder ablehnende Stellungnahmen gegenüber Geld oder
Währungsfragen zu vernehmen waren? Gesells Betrachtungen kreisen fortwährend
um die Verwerfungen im kapitalistischen Geld- und Bodenrecht und um die sich
daraus ergebenden Folgen, vor allem für die wirtschaftliche und politische
Freiheit der Akteure. Es gibt kaum einen gesellschaftlichen und menschlichen Bereich,
dessen Erscheinungen nicht mittelbar oder unmittelbar mit dem Geldwesen und der
Bodenordnung in Verbindung stehen und dessen Deformationen nicht in der Hauptsache von
genau dort herrühren.
Wenn Geld in das Denken der Menschen angemessen eingebettet werden soll, dann kann
dies nur über die Betrachtung und den Vergleich mit Freigeld geschehen. Geld ist so
einmalig, dass es nicht wirklich mit einer anderen Sache vergleichbar ist, nicht
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mit dem Blut im Organismus, nicht mit dem Wasser in der Natur . Geld kann nur
„eingeordnet“, verstanden und gemanagt werden, wenn Geld als „Freigeld“
gedacht wird. Als Geld also, dem die behauptete – aber in Wirklichkeit fehlende –
Äquivalenz mit der Ware aufgezwungen wird und dass dann eben nicht mehr „unbeschränkt
gültig“ ist, sondern Teile seines Nominalwertes ebenso verliert wie die Waren bis zu ihrem
Verkauf an Substanz verlieren.
„Freigeld“ ist dieses an die Leine gelegte Geld insofern, als es für die arbeitende Klasse keine
Bedrohung mehr darstellen kann. Eine Bedrohung, die sich heute noch der Möglichkeit seiner
gegenwärtigen Besitzer ergibt, den Geldfluss jederzeit zu bremsen, umzuleiten oder ganz
auszusetzen. Es ist Freigeld, weil es die Benutzer des Tauschmittels von Ängsten befreit,
derer sich heute viele zwar bewusst sind, die jedoch trotzdem kein Mittel wissen, außer es
sich notfalls auch „illegal“ zu beschaffen.
Freigeld hebt die Ursache für die Ungleichverteilung des gesellschaftlichen Vermögens auf,
bei dem heute den Meisten fast nichts und einigen Wenigen so gut wie alles zur Verfügung
steht. Diese Bezüge kann man in dem auf den Punkt gebrachten Buch „Die Natürliche
Wirtschaftsordnung“ von Silvio Gesell wieder und wieder nachlesen.
Statt das Thema jedoch weiter entsprechend der erwähnten Problemstellung zu verfolgen,
driftet der Kritiker ab und betreibt „exzessive Schlagwortbenutzung“. Gesells Systementwurf
dreht sich um die Freiheit. Das ist soweit korrekt. Dreifach oder „stets“ würde er sich um die
Freiheit jedoch nur dann drehen, wenn er nach einer Wirtschaftsfreiheit, einer Geld- und
einer Landfreiheit strebte.
Doch geht es um Freiwirtschaft, Freigeld und Freiland. Es geht um wesentliche Korrekturen
des Geldsystems und des privaten, aus der Zeit der Römer übernommenen, Bodenrechts. Es
geht um Geld, das frei ist vom Zins, und um Land, dessen an ihm haftenden Grundrente
allen zugutekommen soll. Es geht um die Freiheit vom Bodenwucher, von der
Bodenspekulation, und im Allgemeinen geht es um eine Wirtschaft, die frei ist von der
Möglichkeit, den erarbeiteten Reichtum in erster Linie an die „Nichtarbeiter“ – die
Kapitalbesitzer – zu verteilen. Es geht um eine Wirtschaftsform, die frei ist von
„leistungslosen Einkommen“ aus Geld- und Bodenbesitz, den eigentlichen Ursachen für
immer größere und stärkere Krisen und die aus ihnen entstehenden Kriege.
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Diese Kreisläufe entziehen sich doch sehr dem menschlichen Willen. Es wäre akzeptabel, wenn die Vergleiche
mit Blut oder Wasser hinken würden, doch leider sind sie auf den Rollstuhl angewiesen.
Jens Frank Kasten (jfk) - 8 - CTS Freiheitswerk, 2011