Page 7 - Replik zur Kritik der Freiwirtschaft
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Replik zur „Kritik an der Freiwirtschaft nach Silvio Gesell“ durch Rahim Taghizadegan vom Wiener „Institut für Wertewirtschaft“
Bedeutet es „oberflächlich betrachtet“? Hat sich der Kritisierte im Laufe der Zeit gewandelt?
Erscheint er aus verschiedenen Blickwinkeln ideologisch unterschiedlich? Mal sehen, ob der
angedeutete Brückenschlag noch zu einer anständigen Brücke wird.
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Wenn jemand „stets die Freiheit im Munde führt“ , so kann das nicht wirklich gut gehen. Gibt
es nicht jede Menge an „freiheitsfernen und von Eigeninteressen getriebenen Politikern“, die
immerzu die Freiheit im Munde führen? Da ist „natürlich“ schon mal höchste Vorsicht
geboten.
Sein Systementwurf kreist dreifach um die Freiheit, sieht er doch „Freiwirtschaft durch
Freigeld und Freiland“ vor. Er geht sogar so weit, sich dem Manchesterliberalismus
zuzurechnen: Diese natürliche Wirtschaftsordnung könnte man auch als „Manchestertum“
bezeichnen, jene Ordnung, die den wahrhaft freien Geistern immer als Ziel vorgeschwebt hat
– eine Ordnung, die von selber, ohne fremdes Zutun steht und nur dem freien Spiel der
Kräfte überlassen zu werden braucht, um alles das, was durch amtliche Eingriffe, durch
Staatssozialismus und behördliche Kurzsichtigkeit verdorben wurde, wieder ins richtige Lot zu
bringen.
Damit geht Gesell wirklich weit! Sich selbst „zuzurechnen“. Doch hat er dies wirklich getan?
Wenn man die „Natürliche Wirtschaftsordnung“ (im Folgenden auch NWO abgekürzt)
mit dem Manchestertum nur anhand der an ihrem Beginn stehenden Ziele
vergleichen würde, könnte man diese auch als „Manchestertum“ bezeichnen. Das Fehlen
dieses Nebensatzes stellt für den Leser der Quelle dieses Zitates – und den Kenner des
Konzeptes, also der relevanten Zusammenhänge – keinen Verlust dar. Darin wird sowohl vor
als auch nach dem zitierten Satz deutlich, dass Gesell hier die ursprünglichen Ideen der
Manchesterleute im Blick hat, und dass er sehr genau weiß, warum diese ursprünglich edlen
Ziele nicht nur nicht erreicht, sondern schwer verfehlt wurden. Dass Gesell die NWO nicht
dem Manchestertum – und schon gar nicht einem ihm unbekannten
„Manchesterliberalismus“ – zurechnet, steht „sogar“ außer Zweifel.
Wenn von all diesen schönen Manchesterhoffnungen bis zum heutigen Tage keine Spur der
Verwirklichung sich zeigt, die Mängel der Wirtschaftsordnung dagegen je länger desto ärger
sich breit machen, so muss die Ursache in dem von den Manchesterleuten aus Unkenntnis
der Dinge unbesehen aus dem Altertum übernommenen Geldwesen gesucht werden, das
einfach versagt, sobald sich die Wirtschaft im Sinne der manchesterlichen Erwartungen
entwickelt. Man wusste nicht, dass das Geld den Zins zur Bedingung seiner Betätigung
macht, dass die Wirtschaftsstockungen, der Fehlbetrag im Haushaltsplan der erwerbenden
Klasse, die Arbeitslosigkeit einfach Wirkungen des herkömmlichen Geldes sind. Die
manchesterlichen Hoffnungen und die Goldwährung waren unvereinbar.
Auszug aus dem Vorwort von Silvio Gesell zur dritten Auflage des Buches „Die Natürliche
Wirtschaftsordnung“, Herbst 1918
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Der Begriff „Freiheit“ taucht (auch in Verbindung mit verschiedenen Bestimmungen, wie z.B. Gewerbe-, See-,
Land-, Zinsfreiheit) genau 56 Mal in Gesells Hauptwerk auf, was einem Schnitt von 1 Mal je 5 Seiten entspricht.
Bei entsprechender Freiheitsempfindlichkeit kann daraus ein gefühltes „stets“ werden. Der Begriff „Freigeld“
wird im Durchschnitt einmal je Seite Hauptwerk verwendet. Also fünfmal so oft. Und der dem Autor der Kritik
anheimelnde Begriff „Gold“ taucht in Gesells Hauptwerk insgesamt 732 Mal auf, also dreizehnmal öfter als
„Freiheit“. Wenn Gesell in seinem Werk etwas stets im Munde führte, dann ist es der Begriff „Geld“. Hier
finden sich auf 275 Seiten PDF-Dokument 3002 Nennungen (durchschnittlich elfmal pro Seite oder 54mal so oft
wie „Freiheit“). Vielleicht hat Taghizadegan ein völlig anderes Buch gelesen?
Jens Frank Kasten (jfk) - 7 - CTS Freiheitswerk, 2011