Page 9 - Replik zur Kritik der Freiwirtschaft
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Replik zur „Kritik an der Freiwirtschaft nach Silvio Gesell“ durch Rahim Taghizadegan vom Wiener „Institut für Wertewirtschaft“
Und so müssen wir dem Kritiker Schwächen im Verständnis von Grund- und
Bestimmungswörtern bei zusammengesetzten Substantiven bescheinigen. Wenn es z.B. um
einen „Freiheitsgewinn“ geht, dann geht es dabei eben nur sehr, sehr entfernt um die
„Gewinnfreiheit“! Anstelle von nachhaltigen Erläuterungen des Gesellschen Konzeptes, das
mit wenigen Schlüsselwörtern auskommt – nämlich Freiland und Freigeld –, hält sich
Taghizadegan bei einem der Vorworte zur NWO auf, dem Vorwort zur dritten Auflage von
1918.
Gesell geht laut Taghizadegan „sogar so weit, sich den Manchesterliberalisten zuzurechnen“
– und dies, nachdem er bereits „dreifach um die Freiheit kreiste“ und sie „immerzu im Munde
führte“. Offensichtlich geht noch mehr als Freiheit. „Sogar“ Manchesterliberalismus! Weiß der
Kritiker mehr als er preisgeben möchte, wenn er statt wie Gesell vom „Manchestertum“ von
den „Manchesterliberalen“ spricht? Unterschlägt er vielleicht die „Manchesterkonservativen“
oder gar die „Manchesterfundamentalisten“? Warum so viele Andeutungen in einer einfachen
Angelegenheit?
Für Gesell hatten die Manchesterleute einst gute Absichten, freiheitliche Ideale: Der Zins
sollte verschwinden, die Grundrente dem ganzen Volk zugutekommen, der Freihandel sollte
die Krisen der damaligen Zeit überwinden helfen. Gesell schreibt „man könnte … bezeichnen“
und die Leser wissen im Zusammenhang, aus dem die zitierte Aussage stammt, wie dieser
Konjunktiv korrekt zu verstehen ist. Doch wenn man solche Feinheiten geflissentlich
übersieht, stellt sich auch nicht die Aufgabe, die Einschränkung – die Bedingung – zu
nennen, die auf derlei Erwägung („könnte“) folgen muss.
Halbherzig reißt Taghizadegan das Ruder noch herum und nennt die Einschränkung, „das
Fehlen einer freien Kampfbahn“ für den freien Wettbewerb. Die davor fälschlicherweise
hergestellte „Zurechnung“ der Freiwirtschaft zum Manchestertum bleibt jedoch bestehen.
Bei all der edlen Freiheitsgesinnung hätten die Manchesterliberalen jedoch übersehen, dass
für den freien Wettbewerb zunächst eine freie „Kampfbahn“ geschaffen werden müsse. Dies
möchte die Freiwirtschaftslehre besorgen und erscheint damit als Vorläufer des
Neoliberalismus – die wenigen authentischen Neoliberalen waren einst mit exakt derselben
Kritik am Altliberalismus und ähnlichen Schlussfolgerungen angetreten.
Die „Eingeweihten“ werden sich vielleicht nicht wundern… doch wie steht es mit uns, jenen,
die die Kritik einer ökonomischen Lehre nicht selbsterklärend abgewickelt sehen möchten?
Für „exakt dieselbe“ Kritik der authentischen Neoliberalen am Altliberalismus wie die von
Gesell am Manchestertum, sollte sich doch der Hauch eines Beleges, ein einfaches Beispiel
finden lassen. Wie soll Taghizadegan sonst aus „derselben Kritik“ (Deckungsgleichheit) auf
deren Steigerung „exakt derselben Kritik“ („noch vollständigere Deckungsgleichheit“)
kommen, wenn er diese beiden Lehren nicht quasi vor seinen Augen ordentlich
übereinandergelegt hat? Entweder meint Taghizadegan mit „exakt derselben“ so etwas wie
„vermutlich nicht vollständig unähnlich“ oder er kann diese Aussage nicht im Geringsten
belegen!
Alles wird mit allem verknüpft. „Sollen doch die anderen diese schludrig geknüpften Knoten
wieder lösen und die Zusammenhänge den Tatsachen entsprechend neu ordnen“, scheint
das wissenschaftliche Credo des Kritikers zu sein. Schauen wir uns da doch lieber etwas
genauer an, was der Kritisierte denn tatsächlich geschrieben hat:
Jens Frank Kasten (jfk) - 9 - CTS Freiheitswerk, 2011