Page 11 - Replik zur Kritik der Freiwirtschaft
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Replik zur „Kritik an der Freiwirtschaft nach Silvio Gesell“ durch Rahim Taghizadegan vom Wiener „Institut für Wertewirtschaft“
Warum Energie auf die Kritik einer Sache verwenden, wenn diese danach nicht mehr
wiederzuerkennen ist? Warum die Intelligenz der Leser und potenziellen Leser beleidigen,
indem man Dinge aus dem Zusammenhang reißt, sie in die Luft wirft, anschließend verkehrt
herum in einen anderen Zusammenhang einbettet, dabei etwas weglässt und etwas anderes
hinzufügt?
Ein besonders leidenschaftliches Bekenntnis legt Gesell zum Freihandel ab:
Lassen wir den vollen Freihandel nur einige Jahrzehnte sich frei entwickeln und entfalten,
und wir werden bald sehen, wie innig das Wohl der Völker mit der Förderung und
Aufrechterhaltung dieses Handels verknüpft ist, mit welcher Liebe gute Beziehungen zu den
Nachbarvölkern vom ganzen Volke gepflegt werden, wie die Familien hüben und drüben
durch Bande der Blutsverwandtschaft fest aneinander gekettet werden, wie die Freundschaft
zwischen Künstlern, Gelehrten, Arbeitern, Kaufleuten, Geistlichen alle Völker der Welt zu
einer einzigen, großen Gesellschaft verketten wird, zu einem Völkerbund, den die Zeit und
die Einzelbestrebungen immer nur inniger und fester schnüren, bis zum Verschmelzen der
Teile zusammenschweißen können.
(Zitat stammt aus dem Freilandkapitel, Abschnitt 2.4 der NWO)
Und hier fangen die Widersprüche an: Tiefer in seinem Werk (als Quelle quasi unauffindbar,
jfk) entgleiten dem Kaufmann handelsfeindliche Ressentiments. Handel sei „Wucher mit
einem Gegenstand“, der Verkäufer wolle des Käufers „Verlegenheiten ausbeuten“, habe es
gar auf die Ausbeutung „des Volkes im großen“ abgesehen.
Zitatfetzen stammen aus dem Kapitel „Metall- und Papiergeld“, 3.4 der NWO
Nun mag man dies als nicht ganz ernst gemeinte Entgleisung abtun, was angesichts von
Gesells Stil, der gelegentlich an den gewitzten Wortführer und Stichwortgeber am
Stammtisch erinnert, nicht allzu weit hergeholt wäre. Doch dieser Widerspruch spiegelt das
klassische liberale Dilemma wieder, für das Silvio Gesell eines der besten Beispiele abgibt.
Der Liberale als Fortschrittsfreund trachtet nach der Verbesserung der Gesellschaft. Je
stärker seine Emphase der Freiheit, desto ungeduldiger. Der hierzu brauchbarste, da
deutlichste Maßstab, scheint dazu das Ideal zu sein: Ein plausibler Gegenentwurf, der den
wunderbaren Vorteil hat, noch reinste Vorstellung und nicht schmutzige Wirklichkeit zu sein.
Ein plausibler Gegenentwurf zur „schmutzigen Wirklichkeit“ sollte wohl etwas sauberer
daherkommen als die Wirklichkeit selbst. Wofür braucht es sonst einen Gegenentwurf?
Selbst ein nicht plausibler Gegenentwurf sollte dies tun. Dass Taghizadegan genau das
ironisch verpackt, klingt sehr nach Resignation, verkleidet unter dem Gewand des Realismus.
Und es klingt unlogisch und zuletzt nur noch dumm – obwohl ein deutliches Bemühen
spürbar ist, intelligent rüberzukommen.
Taghizadegan strebt offensichtlich nicht nach einer „Verbesserung der Gesellschaft“. Ein
„Freund des Fortschritts“ möchte er auch ungern genannt werden. Und mit Stichwortgebern
am Stammtisch scheint Herr Taghizadegan sehr vertrauensvolle Verhältnisse zu pflegen. Aus
ihm spricht die Armut an Gegenentwürfen, die sauber genug sind, um als Gegenentwürfe
gelten zu können und nicht als Rechtfertigung des Bestehenden herhalten zu müssen.
Eingedenk der taghizadeganschen Schwäche im Verständnis von Grund- und Bestimmungs-
wörtern bei zusammengesetzten Substantiven, soll hier „Handelsfreiheit“ vom „Freihandel“
begrifflich geschieden werden und gleich noch der Hinweis gegeben, dass es sich dabei um
einen Begriff handelt, der geklärt werden muss, wenn man eine Kritik desselben anstrebt!
Jens Frank Kasten (jfk) - 11 - CTS Freiheitswerk, 2011