Page 8 - Die Ausbeutung, ihre Ursachen und ihre Bekämpfung
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Er begründet die Behauptung nicht. Ihre Richtigkeit mochte ihm ohne
weiteres einleuchten. Vielleicht stammt der Satz von einem Manne, der
seiner Empörung darüber Ausdruck geben wollte, wie sehr der
Kapitalismus den Menschen herabwürdigt. Als Ausdruck solcher
Empörung kann man ihn auch gelten lassen. Dort aber, wo er, wie bei
Marx, zum Träger einer schwerwiegenden Theorie herhalten muss, da ist
es nötig, seine Richtigkeit genauer zu untersuchen.
Was wäre die Arbeitskraft ohne den Arbeitswillen? Was nützt dem Unter-
nehmer die Arbeitskraft, wenn der Arbeiter sie nicht gebraucht? Und was
nützt dem Unternehmer wieder der Arbeitswille, wenn die Arbeitskraft
fehlt? Wille und Kraft vereint liefern das Produkt – und auf das Produkt
kommt es dem Unternehmer an. Der Unternehmer kauft also nicht die
Arbeitskraft, sondern das Arbeitsprodukt. Bei der Anstellung des Arbeiters
richtet sich das Angebot des Unternehmers ganz nach den Produkten, die
er vom Arbeiter erwartet. Und auch der Arbeiter richtete seine
Forderungen nach seinem Arbeitsprodukt.
Der Lohnvertrag ist demnach nichts anderes als ein Kaufvertrag über die
Waren, die der Arbeiter herstellt und dem Unternehmer verkauft. Beim
Stücklohn tritt dieses Verhältnis ganz klar zu Tage. Dass die Maschinen,
die der Arbeiter benutzt, dem Unternehmer gehören, ändert an diesem
Verhältnis nichts. In dieser Beziehung kann man das Verhältnis
Unternehmer zum Arbeiter mit dem eines Pfandleihers vergleichen. Der
Unternehmer leiht dem Arbeiter gegen eine Vergütung das Werkzeug
und den Rohstoff. Die Höhe dieser Vergütung setzt der allgemeine
Wettbewerb der Regel nach auf den Zins des Geldes herab, das der
Unternehmer zur Anschaffung seiner Produktionsmittel verausgaben
muss. Mehr kann er nicht herausschlagen, weil der Wettbewerb es ihm
nicht gestattet. Und dafür, dass es nicht weniger wird, sorgt auch wieder
der allgemeine Wettbewerb, da niemand Geld in einem Unternehmen
anlegen wird, das weniger als den Zins des Anlagekapitals verspricht.
Es verhält sich hier wie bei der Verpachtung eines Ackers an einen
Bauern, nur mit dem Unterschied, dass der Grundbesitzer dem Bauer die
Sorge für den Verkauf der auf seinem Acker erzeugten Waren überlässt.
Keinem Grundherrn wird es in den Sinn kommen zu sagen, dass er die
Arbeitskraft des Bauern gekauft habe.
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