Page 17 - Replik zur Kritik der Freiwirtschaft
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Replik zur „Kritik an der Freiwirtschaft nach Silvio Gesell“ durch Rahim Taghizadegan vom Wiener „Institut für Wertewirtschaft“
Abgeräumte Vorrechte, die sich nicht aus natürlichen Veranlagungen der Menschen
begründen, sind nicht zu verwechseln mit Gleichmacherei! Chancengleichheit auf der Basis
von beseitigten Vorrechten legt die Unterschiede in allen menschlichen Neigungen und
Eignungen offen und lässt sie ungestört von unbegründbaren Privilegien blühen und
gedeihen. Das ganze Werk Gesells ist eine einzige Laudatio an die Vielfalt der Natur (und des
Menschen als eines Teil von ihr) und eine Absage an die Gleichmacherei.
Das Gleichmachen der Arbeitserträgnisse ist Sache der Kommunisten.
Abschnitt 1.2. Kapitel 1 der NWO; PDF-Ausgabe, S. 15 unten
In seinem Hauptwerk malte Gesell diese Sonne schwärmerisch an den Anfang seines Kapitels
über „Freiland“, jenes Kapitel, wo der Liberale zum Sozialisten wird. Selten hat man diese
ideengeschichtliche Entwicklung schöner durch eine Person versinnbildlicht gesehen. Die
Rhetorik jedoch bleibt durchwegs liberal, von der bequemen Mitte will Gesell nicht lassen:
Entweder Eigen- oder Staatswirtschaft, – ein Drittes gibt es nicht. Man kann, wann man
weder die eine noch die andere will, für die gesuchte Ordnung noch so anheimelnde und
vertrauenerweckende Namen ersinnen: Genossenschaften, Gemeinwesen, Vergesell-
schaftung usw., – sie können die Tatsache nicht verschleiern, dass es sich im Grunde immer
um den denselben Schrecken, um den Tod der persönlichen Freiheit, Unabhängigkeit,
Selbstverantwortung, d.h. um Behördenherrschaft handelt.
Nachdem Gesell gerade ein paar Zeilen vorher noch zum Schwärmer, zum Idealisten, zum
ersten Anwalt von umfassender Freiheit gekürt wird, zur Versinnbildlichung einer
ideengeschichtlichen Entwicklung stilisiert, rutscht er plötzlich ab ins rhetorisch bequeme
Mittelfeld. Und obwohl Taghizadegan vorgibt, an genau dieser Stelle das Freilandthema
quellentechnisch aufzubohren, verwendet er plötzlich rückwärtsgewandt eine Textstelle, die
einem der Vorworte entlehnt ist. Das Zitat entstammt nämlich nicht dem Freilandkapitel,
sondern wiederum dem dritten Vorwort zur NWO.
Mit der Formulierung von der „bequemen Mitte“ wird der Au-tor jedoch zum Eigen-tor! Und
so pendelt Taghizadegan zwischen Abschnitten, Kapiteln und Vorwort hin und her und
versucht einen roten Faden bei der Analyse des betrachteten Werkes zu suggerieren. Leider
gerät er dabei immer wieder aus dem Tritt, die „bequeme Mitte“ seines Unterfangens
verfehlend. Er unterlässt es, die Ergebnisse von Gesells Analyse der ökonomischen
Wirklichkeit seiner Zeit zu beschreiben, sondern bewertet ohne Unterlass den Anschein, den
Gesells Ideen auf ihn, den Kritiker, haben. Doch weder eine „prachtvollste“ Menge von
Bewertungen, noch deren „vermeintlichste“ Güte lassen auf ausreichende Quellenarbeit
schließen – sondern eher auf das Gegenteil:
malt Sonne schwärmerisch an den Anfang von Freiland wo der Liberale zum
Sozialisten wird
selten die ideengeschichtliche Entwicklung schöner durch eine Person versinnbildlicht
gesehen
Rhetorik bleibt liberal, bequeme Mitte muss sein
Was weiß der Leser nun von den tragenden Ideen einer „Natürlichen Wirtschaftsordnung“,
von ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem wirklichen Wert? Oder auch nur von dem
erwähnten Stichwort „Freiland“?
Jens Frank Kasten (jfk) - 17 - CTS Freiheitswerk, 2011