Page 22 - Replik zur Kritik der Freiwirtschaft
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Replik zur „Kritik an der Freiwirtschaft nach Silvio Gesell“ durch Rahim Taghizadegan vom Wiener „Institut für Wertewirtschaft“


               Gleich ob das erste „Geld“ Rind, Muschel, Schmuckstück, Perle, Salz, Tee oder eine andere
               Ware war  – oder auch mehrere, die als Platzhalter fungierten –, so ist dies für die
               Veranschaulichung der  Gesetze des heutigen Geldes nur bedingt aufschlussreich. Was
               interessant ist, ist nicht in jedem Kontext auch wichtig! Und so stilisiert Taghizadegan Gesells
               Betrachtungen der Vorläufer des „modernen“ Tauschmittels „folgerichtig“ zu einem
               Denkfehler Gesells. Leider folgerichtig falsch!
               Gesell liefert mit seiner Geldtheorie überhaupt erst die Grundlage dafür, die Geldentstehung
               historisch betrachten zu können, ohne Gefahr zu laufen, sich in der Vielfalt ihrer Formen zu
               verlieren oder zu verirren. Dass sich Waren als Geldvorläufer fanden, dass Waren die Rolle
               des Geldes  zu erfüllen  versuchten, bewies nicht ihre uneingeschränkte, dauerhafte, kaum
               mehr zu verbessernde Funktion als Tauschmittel. Gesell weist nach, dass diese Warenformen
               des Geldes notwendigerweise überwunden werden wollten – und dass deren Überwindung
               einen Fortschritt darstellte. „Ahistorisch“ sieht anders aus!
               Sein Denkfehler wird deutlich, wenn er zugeben muss, dass sich an verschiedenen Orten und
               zu verschiedenen Zeiten die unterschiedlichsten Waren als Geld bewiesen. Dies wischt er mit
               der Bemerkung beiseite, dies sei „bloßer Tauschhandel“. Dabei tut er wider besseres Wissen
               so, als würden in diesen Fällen etwa das Salz oder der Tee so häufig getauscht, weil die
               Menschen plötzlich so gerne salzig äßen oder Tee tränken. Er verkennt, dass genau hier die
               primäre Funktion realen Geldes liegt: Das allgemein akzeptierte Tauschmittel zu sein. Jede
               Ware, die auf allgemeine Akzeptanz stößt,  kann indirekten Tausch ermöglichen – so dass
               z.B. in vielen Gefängnissen auch die Nichtraucher anfangen, Zigaretten nachzufragen.
               Letzteres geschieht ganz in Übereinstimmung mit dem grundlegenden volkswirtschaftlichen
               Satz, dass  der Handel  „auf der  gegenseitigen  Ausbeutung der Verlegenheiten“  der jeweils
               anderen beruht. Ob die im Gefängnis auf „Zigaretten als Geld“ zurückgeworfenen Raucher
               dann ihr Geld (oder Teile davon) aufrauchen, oder sich lieber das Rauchen abgewöhnen, um
               nicht ohne Geld dazustehen, bleibt ziemlich ungewiss. Halten wir fest, dass sogar in einer so
               relativ „abgeschlossenen Einheit“ – wie sie  ein  Gefängnis darstellt –, der  direkte Tausch
               immer noch einen Konkurrenten hat. So elementar ist offensichtlich das Bedürfnis, sich für
               den Tausch eines Mittels zu bedienen, dass selbst dort, wo es noch Zeit und Übersicht für
               den direkten Tausch gäbe, Dinge zum Tauschmittel erhoben werden.

               Taghizadegan ist davon überzeugt, dass sich die „unterschiedlichsten Waren“ an
               verschiedenen Orten  und zu verschiedenen  Zeiten „als Geld bewiesen“. An  anderer Stelle
               stellt  er unbekümmert  fest, dass die primäre  Funktion des realen  Geldes darin liege, „das
               allgemein akzeptierte Tauschmittel  zu sein.“ Ein Widerspruch kann das für ihn  nicht sein.
               „Unterschiedlichste Waren“ waren „allgemein anerkannt“. Natürlich nicht alle gleichzeitig und
               nicht überall. Aber allgemein.

               Ein allgemein akzeptiertes Tauschmittel überdauert auch mal „unterschiedliche Zeiten“ und
               breitet sich  auch mal räumlich über „unterschiedliche  Orte“ aus, so wie es das Metallgeld
               geschafft hat – ob aus Eisen, Kupfer, Nickel, Silber oder Gold. Über verschiedene Tee- oder
               Salzsorten hätten wir  bei „allgemeiner Akzeptanz“ wohl auch kein  Wort verloren… und so
               verliert Taghizadegan kein Wort darüber, warum wir Tee, Salz, Perlen oder Muscheln nicht
               oder nicht  mehr als  Geld ansehen, wenn  doch bewiesen ist,  dass sie Geld sein können.
               Warum hatten sich Menschen darauf geeinigt, dass diese Waren die Rolle des Tauschmittels
               übernehmen sollten –  und warum  haben sie  es immer wieder mit neuem Geld,  also mit
               anderen Waren versucht? Plausible Antworten auf diese Fragen bekommt man ausnahmslos
               bei Gesell. Nicht nur damals!


               Jens Frank Kasten (jfk)                     - 22 -                        CTS Freiheitswerk, 2011
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