Page 28 - Replik zur Kritik der Freiwirtschaft
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Replik zur „Kritik an der Freiwirtschaft nach Silvio Gesell“ durch Rahim Taghizadegan vom Wiener „Institut für Wertewirtschaft“


               Zwei Weltkriege resultierten aus dem ersten Punkt, der fehlenden Elastizität. Und aus dem
               immer noch fehlenden Bewusstsein über den zweiten Punkt werden sich weitere Krisen und
               Kriege entwickeln, so lange, bis dieses Bewusstsein entsteht! Ist nämlich genug „Geld im
               Umlauf“  (im Gegensatz zu „von der Notenbank ausgegebenem  Geld“)  können sich die
               Nationen friedlich alle Rohstoffe besorgen, die ihnen fehlen – und von den fehlenden gibt es
               immer mehr, als von jenen, die auf dem eigenen Territorium vorhandenen sind!

               Taghizadegan hätte sich die aussagekräftigsten der – seiner Meinung nach ja wenigen und
               dürftigen – Argumente gegen die Goldwährung vornehmen können, um diese dann  zu
               widerlegen. Doch dieser „Mühe“ wollte er sich wohl nicht unterziehen. So wagt er denn statt
               dessen, ohne echten Zusammenhang, eine „Zusammenfassung“:
               Zusammenfassend: Jedes Tauschmittel muss stets aus der Perspektive des Tauschpartners
               einen Wert haben, damit es  freie Menschen freiwillig im Tausch gegen  Wertvolles
               akzeptieren. Dieser Wert ist jedoch natürlich nicht an sich materiell oder sachinhärent. Es
               muss auch nicht die für den Tauschpartner wertvolle Sache direkt mitgeführt und
               getauscht werden, bei vertrauenswürdigen Institutionen reicht oft der bloße Titel
               (Lieferschein,    Eigentümerschein).       Seltener    werden      auch    Schuldscheine
               akzeptiert, doch  in der Regel werden Titel auf bereits  bestehende, bzw.
               geschaffene Güter bloßen Versprechungen vorgezogen. Silvio  Gesell erkennt sehr
               richtig  die  Schwächen der objektiven Wertlehre (von  Marx wie  von den klassischen
               Ökonomen), versteht aber die subjektive Wertlehre und den Marginalismus nicht, wodurch er
               Wert gleich als „Illusion“ verwirft – ein verheerender Fehlschluss.
               Warum heißt es im ersten Satz nicht „…damit es Menschen im Tausch akzeptieren“, sondern
               „…damit es freie Menschen freiwillig im Tausch gegen Wertvolles akzeptieren“? Steht hier die
               edle Freiheitsgesinnung Taghizadegans Pate für so viel Pathos?

               Hier wird der Eindruck vermittelt, dass im Allgemeinen die von ihm genannten Formen von
               „Tauschmitteln“  dem „Papiergeld als Träger  bloßer Versprechungen“  – ganz im Gegensatz
               zur allgemeinen Praxis  – vorgezogen würden. So verschieden können Wahrnehmungen
               sein! Jeder nimmt sich seine Wahrheit. Aber ab wann ist eine Institution vertrauenswürdig?
               Und seit wann werden Schuldscheine als Tauschmittel gehandelt? Besser gefragt: Wie lange
               schon werden Schuldscheine nicht mehr als Tauschmittel benutzt?  Oder Titel? Wer geht
               heute noch mit einem Pfandbrief shoppen?

               Was besagen die „subjektive  Wertlehre“ oder der „Marginalismus“? Gab es den
               Marginalismus schon vor hundert Jahren, so dass Gesell ihn hätte verstehen können, wenn
               er es denn gewollt hätte? Wo bleibt der Beweis dafür, dass der „Wert einer Sache“ ein von
               menschlichen Entscheidungen unabhängiges Phänomen ist, also mehr als nur eine Illusion?

               Diese „Zusammenfassung“ wirft vornehmlich Fragen auf. Doch schauen wir weiter:

               2. Kein Gold der Welt kann die Menschen vor der Einführung von Papiergeld
               schützen
               Dieses Argument ist eines der absurdesten von Gesell,  doch gibt er diesem trotzdem viel
               Gewicht. Er führt die ersten Papiergeldexperimente der Neuzeit an: John Laws wahnwitziger
               Spekulationsbetrug und die Assignate der Französischen Revolution. Bei beiden Beispielen ist
               offensichtlich, dass sie Instrumente der Enteignung waren. Gesell führt sie denn auch nicht
               als Positivbeispiele an, das wäre doch  zu dreist. Nein, er ruft allen Ernstes aus: Da, seht,
               davor konnte euch auch euer Goldgeld nicht schützen! Warum also daran festhalten? Diese


               Jens Frank Kasten (jfk)                     - 28 -                        CTS Freiheitswerk, 2011
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