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Die Vermessung der Wirtschaftskrise

von Jens Kasten

Mai 19, 2020

Barbarei, Insolvenz, Kultur, Regulierung, Schuldenberg, Wirtschaftskrise, Zukunft

Vermutlich kennen Sie die Fragen: „Wie lange dauert die Wirtschaftskrise noch?“ „Wie schlimm kommt es noch, bevor es wieder besser wird?“ „Wie kann ich mein Vermögen zumindest teilweise retten?“ „Was brauche ich, um mich im Falle eines Kollapses durchschlagen zu können?“ „Wird es wirklich so schlimm, wie manche behaupten?“

Viele Menschen fragen sich diese Dinge seit einigen Monaten – und bisher hat es für keine dieser Fragen eine ordentliche Antwort gegeben. Die Wirtschaftskrise ist für die Meisten von uns immer noch ein Rätsel.

Und weil es so schwerfällt, sie zu entschlüsseln und wirklich zu Ende zu denken, greifen die Meisten zu „gedanklichen Patentrezepten“. Die hören sich dann ungefähr so an: „Es hat schon immer solche Krisen gegeben und irgendwann wurde es dann auch wieder besser.“ „So schlimm, wie manche behaupten, kann es gar nicht kommen.“ „Ich mache weiter wie gehabt, weil ich ja eh nichts ändern kann.“ „Irgendwann werden die Politiker und Experten schon etwas finden, das gegen die Wirtschaftskrise hilft.“ Und so weiter, und so fort.

So langsam haben wir uns anscheinend an die Krise gewöhnt. Wir stellen fest – zumindest in den Ländern der so genannten „1. Welt“ – dass wir den Gürtel immer noch ein Löchlein enger schnallen können, ohne gleich umzufallen. Immer noch werden wir mit steigenden Arbeitslosenzahlen und all den Insolvenzen fertig. Zumindest vordergründig. Fast könnte man glauben, der Crash komme gar nicht mehr und die Maßnahmen, die seitens der Politik ergriffen wurden, könnten doch noch fruchten und zum Erfolg führen. Dafür wäre anscheinend sogar eine Mehrheit bereit, gesetzliche Einschränkungen, Zwangsmaßnahmen, eine härtere Gerichtsbarkeit, Verstaatlichungen, Kontrollen sowie Lohn- und Leistungskürzungen hinzunehmen – oder zumindest Verständnis für diese Vorgehensweisen aufzubringen. Viele von uns scheinen bereit, eine mehr oder weniger totalitäre Gesellschaft zu akzeptieren – Hauptsache, der Blechnapf wird gefüllt!

Diese Menschen glauben, dass es keine anderen Lösungsmöglichkeiten gibt, als die Krise mit den Mitteln von Gesetzgebung und Strafverfolgung bei gleichzeitiger Verstaatlichung der Wirtschaft zu „bekämpfen“. Und weil sie das glauben, bereiten sie sich innerlich schon auf eine solche Gesellschaft vor. Eine Gesellschaft mit umfassender staatlicher Regulierung, totaler Überwachung, mehr Suppenküchen, mehr Gewalt, Enteignungen, Verarmung, Verrohung und Verelendung der Gesellschaft. Eine solche Gesellschaft braucht natürlich eine ganze Armada von Polizisten in Kampfanzügen und mit scharfen Waffen, riesige Gefängnisse, Arbeitslager, Militäreinsätze im Inland und völlig ausgeklügelte totalitäre Strukturen, um das Armageddon zu „verwalten“.

Doch so wird es nicht kommen. So wird sich die Zukunft nicht ereignen, auch wenn manchem ein solches Szenario noch als das „kleinere Übel“ erscheinen mag. Es ist Zeit, dass wir aufwachen und erkennen, dass unsere finstersten Befürchtungen keine Hoffnung für die Menschheit auf eine weitere Zukunft darstellen. Es ist Zeit, dass wir die Wirtschaftskrise in ihrem ganzen Ausmaß vermessen und nicht einfach an der Stelle mit dem Denken aufhören, an dem die Ergebnisse der genauen Vermessung uns so ungeheuerlich erscheinen, dass wir sie erst gar nicht in unser Bewusstsein dringen lassen möchten.

Das Ende der gesamten zivilisierten Welt? Das hat es bisher nie gegeben – also wird es das auch in Zukunft nicht geben. An dieser Stelle hören die Meisten einfach auf, weiter darüber nachzudenken, wie sich die Dinge wohl entwickeln werden. Denn das Unvorstellbare können und wollen wir uns nicht vorstellen und beginnen genau da wieder von vorne, darüber nachzudenken wie es uns gelingen könnte, das „eigene Vermögen“ oder wenigstens „die eigene Haut“ zu retten.

„Vergiss es!“, lautet die einzig richtige und ehrliche Antwort, die wir uns auch selbst geben könnten, wenn wir sie denn aushalten könnten. Es wird nämlich kein wie auch immer geartetes Durchkommen für Einzelne geben, auch wenn diese massenhaft Dinge für ihr „Survivalprogramm“ eingelagert haben. Denn auf diejenigen, die noch etwas haben, was sich zur Lebensverlängerung eignet, kommen tausend mal mehr von denjenigen, die genau hinter diesen Sachen her sind und auch bereit, bis ans Äußerste zu gehen, um in deren Besitz zu gelangen. Millionen Menschen, die Hunger leiden und von diesem Elend auch noch mehr oder weniger überrascht werden, stellen einen Aufruhr dar, der mit nichts zu stoppen ist.

Warum können uns vor dieser Barbarei keine totalitären Strukturen nützten? Ganz einfach: Weil die „öffentliche Ordnung“, selbst wenn diese Tyrannei und Diktatur genannt werden muss, auch nur so lange funktionieren kann, wie das Tauschmittel zumindest noch einigermaßen seinen Dienst tun und noch irgendetwas an Nahrungsmitteln produziert wird. Auch der Bulle in Kampfausrüstung kann nur dann sein Werk tun, wenn er einen einigermaßen gefüllten Magen hat. Und Politiker können nur so lange über weitere Zwangsmaßnahmen nachdenken, wie sie mit genügend Kalorien versorgt werden. Selbst die finsterste Zukunftsvision hängt also davon ab, dass unser Geld – unser Tauschmittel – seinen Dienst noch tut.

Und genau darum geht es. Genau das ist die Gefahr, die uns mit 100%iger Sicherheit verschlingen wird: Das Versagen der uns bekannten „Währungen“. Wenn diese nicht mehr „währen“ und die Tauschbeziehungen nicht mehr aufrechterhalten werden können, bedeutet dies, dass es in Bayern keine Kartoffeln aus Brandenburg mehr geben wird. Und keine Milch aus Bayern mehr in Baden-Württemberg. Ganz zu schweigen von Öl aus Arabien oder Kasachstan. Wenn die Tauschgeschäfte nicht mehr funktionieren, kommen „die Produktionen“ zum Erliegen! Wer sollte denn in China noch Reis für die Welt anbauen, wenn er dafür nichts bekommt und selbst auch noch an Hunger leidet?

Sicherlich kommen wir ohne Opel und auch ohne Gucchi aus. Doch ohne Öl schon nicht mehr. Niemand. Jene Armeen, die Milliarden von hungernden Menschen in Schach halten sollen, müssten schon vom Mars kommen und ihre eigene Ausrüstung und ihre Verpflegung selbst mitbringen. Die Polizisten, die bis zum Schluss die öffentliche Ordnung aufrechterhalten, müssten computergesteuerte Dummies sein, die weder schlafen noch essen. Und die Politiker, Krisenmanager und Strategen, die das ganz große Chaos noch lenken und in bestimmte Bahnen bringen wollen, müssten Avatare aus „Second Life“ sein.

Die Ausrottung ganzer Landstriche durch die mittelalterliche Pest war nicht annähernd das, was uns heute blüht, wenn die Weltwirtschaft kein zivilisiertes Tauschmittel mehr hat. Denn an irgendeinem Meilenstein war es mit der Pest vorbei und es gab genügend Gebiete, die nicht von der Seuche betroffen waren. Man konnte noch irgendwohin flüchten. Doch wohin sollten wir heute flüchten wollen, wenn es wirklich ernst wird? Es gibt kein Land, keine Nation und keinen Ort auf der ganzen Welt, der von einem versagenden Tauschmittel unberührt bliebe und der all die Wirtschaftsflüchtlinge aufnehmen könnte, die aus dem Dollar-Rubel-Euro-Yen-Raum flüchten wollen, nur um das nackte Leben zu sichern.

Warum sollte uns denn das Tauschmittel abhanden kommen? Wieso sollte es denn seinen Dienst versagen? Könnte man fragen. Und was soll schon groß mit Deutschland geschehen, bloß weil in Dubai die Wolkenkratzer nicht mehr weitergebaut werden und die Anleger ihre Vermögen abschreiben müssen? Ja, was sollte daran so dramatisch sein? Das fragen sich auf jeden Fall all jene unter uns, die kein nennenswertes Vermögen haben und auch keine drückenden Schuldenberge abzuzahlen haben. Doch es geht eben nicht um das Schicksal einer einzelnen Volkswirtschaft oder um das Schicksal eines einzelnen Menschen.

Es geht um die gesamte Weltwirtschaft, die einfach funktionieren muss, damit die Individuen weltweit überhaupt überleben können. Wir brauchen uns derzeit so gut wie keine Gedanken mehr um den Erfolg von einzelnen Firmen, Bevölkerungsgruppen oder einzelnen Menschen zu machen. Es geht nicht um betriebswirtschaftliche Rechnungen, sondern um den Erhalt und Fortbestand der Volkswirtschaften insgesamt. „Was geht mich die Volkswirtschaft an?“, wurde mir vor wenigen Tagen wütend entgegengehalten. Darauf konnte ich nur noch antworten, dass einige Menschen vorher schlau werden – und einige immer erst hinterher…

Es gibt kein passendes Bild, das alle Gesichtspunkte zweifelsfrei und in der gebotenen Schärfe zeigt. Darüber, dass das Geld als Tauschmittel immer weniger funktioniert, müssten wir Einigkeit erzielen können. Denn alle wissen, dass Geld immer nur auf die größten Vermögensberge wandert und das breite Volk mit immer weniger Geld auskommen muss. Wie das zustande kommt und wie dieser Mechanismus wirkt, lernen Sie auf unseren Seiten.

Dieser Prozess stoppt sich nicht von alleine und er geht solange, bis immer mehr Branchen zusammenbrechen und immer weniger produziert wird, weil es eben immer schwieriger wird, den Warenaustausch mit dem „immer wenigeren Geld“ zu organisieren, das den realen Märkten noch zur Verfügung steht. Bis der Austausch letztlich zum Erliegen kommt. Dies bedeutet auch das Ende der Produktionen. Und ohne Waren macht auch das Geld so gar keinen Sinn mehr. Weil aber nur noch ganz wenige Menschen reine Selbstversorger sind und wir ohne technische Hilfsmittel und Gerätschaften keine nennenswerten Nahrungsmittel mehr produzieren können, geht nun ziemlich schnell „das Licht aus“. Für unvorstellbar viele Mitmenschen. Überall auf der Welt.

Wer sich in etwa die Wichtigkeit von Geld vor Augen halten will, wer in etwa erfassen möchte, wie wichtig ein funktionierendes Tauschmittel für unsere heutige Kultur ist, der stellte sich doch einmal vor, wie unsere Welt aussähe, wenn morgen keiner mehr Geld hätte, um etwas zu kaufen. Denn eine Währung, die völlig zerrüttet ist, in die niemand mehr sein Vertrauen setzt, ist im Ergebnis genau das.

Gäbe es auf der Welt nur einige Hunderttausende Menschen, die in Urgemeinschaften leben und sich von dem ernähren, was sie der Umwelt mit eigener Muskelkraft abtrotzen, dann bräuchten wir uns hier nicht weiter zu unterhalten. Doch jeder frage sich, wie er in unserer Welt mit den ihm eigenen Fähigkeiten und Stärken heute überleben würde? Was passiert, wenn nicht nur viele Menschen mit wenig Geld auskommen müssen, sondern einfach alle Menschen ohne Geld dastehen? Tauschen wir dann einfach mit Goldmünzen und mit Zigaretten weiter? Wie sollte das gehen? Wer produziert noch Zigaretten? Was würde ich für Goldmünzen noch weggeben?

Wie viele werden das überleben? Was bleibt von unserer so genannten „Kultur“ übrig? Es ist schwierig, über diesen Punkt einen flüssigen Artikel zu schreiben. Selbst bei mir setzt es aus, wenn ich mir die Welt vorstellen will, in die wir zwangsläufig geraten werden, wenn wir nicht in absehbarer Zeit unser Währungsproblem gelöst bekommen. Doch was ich mir nicht gönne, sind Illusionen darüber, wie die Geschichte ausgehen könnte. Die einzige Chance sehe ich darin, dass genügend Menschen bereit sind, auf alle falschen Hoffnungen zu verzichten und sich keinen trügerischen Gedankenspielen mehr hingeben, nur um sich selbst zu beruhigen und das unvorstellbare Grauen zu verdrängen.

Denn – so gehen meine Gedanken weiter – wenn wir Menschen wirklich begreifen, dass es keinen anderen Ausweg gibt außer dem einen, dass eine Volkswirtschaft damit beginnt, das Währungsproblem gezielt und fachgerecht zu lösen, dann wird eine wachsende Anzahl von Menschen genau dies und nichts anderes fordern. Jedem Volk wäre es zu wünschen, dass es genau damit ernst macht, denn dieses Volk wird für das Überleben der Menschheit sorgen.

Überlegen wir also ernsthaft, ob irgendein Gesetz oder noch mehr Überwachung, noch mehr Polizei und Militär, die geeigneten Mittel sein können, um einer Weltwirtschaft, die an ihrem fehlerhaften Tauschmittel zugrunde geht, wieder auf die Beine zu helfen? Und wenn wir erkennen, dass alle Verordnungen und Restriktionen nichts nützen und sich angesichts von Milliarden hungernder Menschen völlig lächerlich ausnehmen, wieso sollten wir dann unsere Hoffnung auf derart unangenehme, absurde und letztlich nicht fruchtende Ideen setzen?

Im ersten Schritt geht es weniger um die Frage, was wir tun können. Denn derzeit lautet die ehrliche Antwort lapidar: „Nichts“. Es müssen aber immer mehr Menschen erkennen, in welcher Gefahr wir wirklich schweben, worin das Problem genau besteht und womit es zu lösen ist. Und dann muss es noch die oder den Menschen geben, der oder die ihr überschüssiges und derzeit noch kaufkräftiges Geld genau dafür verwenden, dass die Lösung verbreitet wird und all jene Maßnahmen veranlasst werden, die erforderlich sind, um die versagenden Währungen zu ersetzen. Dafür haben wir nicht unendlich viel Zeit. Ganz im Gegenteil.

(Erstveröffentlichung am 4. Dezember 2009)


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